Sonntag, 5. Oktober 2014


Über die Organisation AFS-Schweiz bin ich in Costa Rica für fünf Monate am Voluntieren. Mein Aufenthalt besteht jedoch aus mehr Komponenten als nur der freiwilligen Tätigkeit im Parque la Libertad. Der kulturelle Austausch steht im Vordergrund. Folglich lebe ich in einer lokalen Familie, die mich in ihr Leben und in ihre Gewohnheiten eingliedert. So kann ich die Menschen vor Ort und deren Kultur direkt (hautnah) kennenlernen.


Stellungnahme Mercator-Stipendium:

Während meiner Zeit in Costa Rica werde ich durch ein Stipendium der Stiftung Mercator Schweiz finanziell unterstützt. Diese Stiftung verfolgt mit der Unterstützung von Lehrabgängern, das Ziel kulturelle Aufenthaltsprogramme auch  Personen die nicht der so genannten Bildungsschicht angehören, näher zu bringen. 

Dass ich von diesem Stipendium profitieren darf, beinhaltet auch einige Verpflichtungen meinerseits, die sich auf vor, während und nach dem Aufenthalt beziehen. So werde ich z.B. während meinem Aufenthalt diesen Blog schreiben. Wenn ich wieder zuhause bin werde ich meine Erfahrungen durch Referate an Berufsschulen weitergeben.

Für mich ist es eine einmalige Chance, finanziell unterstützt zu werden und meine Erfahrungen auf diese Art und Weise zu teilen. So kann ich meinen Beitrag leisten die Ziele der Stiftung Mercator Schweiz zu verwirklichen. Ich sehe deshalb die Unterstützung und die damit verbundenen Verpflichtungen als einen Weg, um einen kleinen Anteil zu einer lernbereiten und weltoffenen Gesellschaft beizutragen.
Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal bei der Stiftung Mercator Schweiz bedanken. Für das Vertrauen, die Zusammenarbeit und natürlich auch für die finanzielle Unterstützung, die mir diese Lebenserfahrung ermöglicht hat. 

Gedanke hinter der Umsetzung:

Nach der Lehre, so habe ich die Erfahrung gemacht, sind sich viele Abgänger unsicher wie es beruflich weitergehen soll. Viele wünschen sich neue Herausforderungen, sind sich jedoch unsicher wo der Weg hinführen soll. Hier möchte ich gerne ansetzen, mit Referaten an Berufsschulen. Durch meine Erfahrungen und den daraus gewonnen Erkenntnissen kann ich bestimmt dem einen oder anderen weiterhelfen und eine Alternative aufzeigen, welche sich auch hinsichtlich der beruflichen Zukunft lohnt.


Allgemeine Förderungskriterien der Stiftung Mercator Schweiz:

Die Stiftung unterstützt die Entwicklung und Erprobung von Projekten, die gesellschaftlichen Bedürfnissen begegnen. Die Projekte haben eine überregionale Bedeutung und das Potenzial zur Ausweitung und Verbreitung. Sie dienen als Vorbild für weitere Vorhaben. In wissenschaftlichen Projekten ist der Stiftung eine interdisziplinäre und/oder praxisorientierte Herangehensweise wichtig, die neue Erkenntnisse in gesellschaftlich relevanten Fragen generiert. Praxisprojekte sollen zeigen, was zur Lösung dieser Fragen möglich ist. Hier legt die Stiftung Wert auf eine aktive Einbindung der Beteiligten. Allgemein sind ihr der Austausch von Erfahrungen und Wissen, der Aufbau von Netzwerken sowie der Transfer von Erkenntnissen in die Öffentlichkeit wichtig.

Quellenangabe: „Förderung-Stiftung Mercator“ http://www.stiftung-mercator.ch/foerderung.html, 16.9.2014



Vorbereitung und Anreise:

Einen Monat vor meiner Abreise, habe ich mir mit einem Intensivkurs in Alicante, Spanien, vier Wochen lang die Grundlagen der spanischen Sprache angeeignet. Das war mein erster Kontakt mit der romanischen Sprache und demzufolge flog ich am 24. Juli 2014 mit einem flauen Gefühl im Bauch nach Costa Rica. 

Visum und Einreise stellten kein Problem dar. Das für drei Monate gültige Touristenvisum lässt sich durch ein  Aus- und Einreisen problemlos erneuern, was für einen halbjährigen Aufenthalt die einfachste Lösung darstellt. Allerdings stolperte ich fast über die Einreisebestimmungen der Vereinigten Staaten. Da mein Flug nach San José von Zürich über Miami führte, musste ich das ESTA-Formular ausfüllen. Dies sollte eigentlich mindestens drei Tage vor Abflug erledigt werden, bei mir hatten zum Glück zwei Tage gereicht.


Vorbereitungscamp AFS:

Am etwas ausserhalb der Stadt liegenden Juan Santamaria Flughafen von San José angekommen, wurde ich von einem AFS-Beauftragten abgeholt und in ein Hostel gebracht. Die darauffolgenden zwölf Tage verbrachte ich mit den anderen Teilnehmern des AFS 18+ Programms. Die ersten zwei Tage im Hostel und anschliessend in Cartago (ca. zwei Fahrstunden von San José entfernt) auf dem Land. Dort hat uns die lässige Birgit für zehn Tage auf ihrer Bio-selbstversorgungs Farm untergebracht. Wir schliefen in bescheidenen Bungalows, hatten täglich spanisch Unterricht und lernten in mehreren Themenabenden viel über die costa-ricanische Kultur.   
Die Zeit auf der Farm, bei der deutschen Auswanderin Birgit, bleibt mir in bester Erinnerung : unsere Lehrerinnen, die den Unterricht locker aber lehrreich gestalteten, die Köchinnen aus dem  Dorf, die unglaublich kreativ kochten und so das fehlende Fleisch vergessen machten, die Arbeiter auf der Farm, die stets offen und hilfsbereit waren und natürlich all die anderen Freiwilligen von AFS, mit denen ich diese Erfahrung teilen durfte. 


Mittagessen im Vorbereitungscamp.
Gruppenarbeit über die verschiedenen Feiertage in Costa Rica.



Projekteinsatz:

Der Parque La Libertad

Der Park „die Freiheit“ ist eine Initiative des Ministerium für Kultur und Bildung von Costa Rica, lanciert um folgende Bereiche zu fördern/schützen: Kunst/Umwelt/Freizeitaktivitäten/Kleinunternehmen. Alle Aktivitäten und Veranstaltungen sollen unabhängig vom sozialen Status stattfinden und sind demzufolge gratis.

Der grüne Bereich des Parks ist riesig und bietet somit Raum für Artenschutz von diversen Pflanzen, welche ihrerseits einen vielseitigen Lebensraum für tropische Tiere bilden. 
Das Gelände hat ausserdem Platz für einen Skatepark, ein Fussballfeld und mehrere Gebäude, unter anderem auch für eine Universität für Film und Fotografie, eine Musikschule und ein Theater.

Der Park befindet sich in Rio Azul und ist umgeben von mehreren ärmeren Dörfern. Nicht ohne Grund, der Park soll der Bevölkerung, insbesondere den Kindern und Jugendlichen, eine Perspektive bieten fern ab von Drogen und Gewalt, die in dieser Gegend allgegenwärtig sind.


Eindrücke meiner Arbeit:

Als ich am 11. August 2014 zum ersten Arbeitstag im Park antrat, war ich ziemlich ahnungslos was mich erwarten würde. Ich sollte, laut AFS, im Zusammenhang mit Menschenrechten arbeiten. Ich wusste aber schon damals, dass ich mit meinen dürftigen spanisch Kenntnissen und einem Fähigkeitszeugnis als Bau- und Möbelschreiner nicht allzu hohe Erwartungen haben darf. 

Lidia ist meine Vorgesetzte, oder einfach die Person, die mich anweist wo und wann ich zu Arbeiten habe. Mit ihr besprach ich mich an meinem ersten Arbeitstag. Sie verschaffte mir einen kleinen Eindruck über die Abläufe im Park und welche Rolle ich dabei spiele. Anscheinend würde meine Arbeit sehr variieren, je nach Tag und Angebot des Parks. In erster Linie, so sagte sie mir, entscheide ich in welchem Bereich ich arbeiten würde, so dass ich meine Ressourcen nutzen könne.
Das ganze Gespräch verlief ziemlich locker und harmonisch, ich fühlte mich gut aufgehoben.

Die Arbeitszeiten trugen auch zu meinem positiven Empfinden des Gesprächs bei. Sie erstrecken sich von Montag bis Freitag von 8.00-14.00 Uhr, inklusive einer Stunde Mittagspause.

Informationsveranstaltung über Umweltverschmutzung und Artenschutz, gegeben für eine öffentliche Schulklasse.
Coaching zweier Wirtschaftsstudenten über den Aufbau eines Unternehmens. Die Veranstaltung befindet sich in Linda Vista, einem Dorf in dem viele unter Armut leiden. 

Musiktherapie im Parque La Libertad. Hier in Zusammenarbeit mit einer öffentlichen Schule, wird jedoch häufiger für Kinder aus Problemfamilien veranstaltet.


Nach den ersten drei, vier Wochen Arbeit - im Alltag angekommen - war ich etwas frustriert in welche Richtung sich meine Tätigkeit entwickelt hatte. Ich hatte zwar viel Einsicht in interessante Anlässe, konnte aber wegen fehlenden Sprachkenntnissen nie über den Handlanger hinaus mitwirken. An den Tagen ohne Aktivität, was etwa auf drei von fünf Wochentagen zutrifft, half ich zusammen mit Arbeitern aus benachbarten Dörfern, im Bereich Umwelt aus. Die Arbeit beinhaltet  die Instandhaltung der Landschaft des Parks. Die Arbeiter, welche sich selbst auch „voluntarios“ - Freiwillige nennen, stammen häufig aus Nicaragua. Sie geniessen ein Programm zur Eingliederung in die Arbeitswelt. Additional zu einem spärlichen Lohn (weshalb sie sich „Voluntarios“ nennen) veranstaltet der Park verschiedene Bildungskurse, um ihnen berufliche Perspektiven zu geben. 
Durch die Zeit die ich mit ihnen arbeitete, waren sie immer für ein bisschen Spass zu haben, und der Austausch mit ihnen war auch sehr interessant. Es sind andere Realitäten mit denen sie aufgewachsen sind. Dennoch war es schwierig mich an die schweisstreibende und eintönige Arbeit zu gewöhnen. Pflanzen gießen, gemähtes Gras zusammen rechen oder auch Unkraut jäten und das unter der brennenden Morgensonne, klar dass da die Batterie auch nach einem 6 Stunden Arbeitstag leer ist. 

Arbeitsteam Bereich "Umwelt".
Zwei Arbeitskolleginnen am Unkraut jäten.

Jetzt, nach fast schon zwei Monaten im Parque La Libertad, bin ich zwar immer noch häufig zwischen zwei Berufswelten am hin und her eilen, jedoch bin ich besser integriert und fühle mich besser eingesetzt bei der Arbeit. Nach einem Gespräch mit Lidia, meiner Ansprechperson, kann ich mich nun jeden Samstag als Fussballtrainer ausprobieren. Die Arbeit mit den Kindern im Alter von 8-15 macht mir viel Spass.
Weiter habe ich das Gefühl, zwei Monate Costa Rica haben Spuren hinterlassen und ich bin ein wenig gelassener im Alltag. Auf jeden Fall akzeptiere ich meine Rolle und helfe da aus wo ich gebraucht werde, dass sollte ja eigentlich auch die Priorität sein bei einem Projekteinsatz.
Ich erkenne mittlerweile auch wie kurz die Zeitspanne von fünf Monaten Aufenthalt ist, davon arbeite ich vier Monate in meinem Projekt. Wenn man ohne gute Sprachkenntnisse anreist, ist ein Einbringen und Mitarbeiten im Team sehr schwierig. Meistens arbeitet man ja auch noch in einem neuen Berufsfeld. Gleichwohl will ich mich in den nächsten zwei Monaten noch weiter einbringen, mein Spanisch verbessern und mit möglichst vielen Erfahrungen in die Schweiz zurückfliegen.


Meine Gastfamilie:

Meine Gasteltern Oldemar und Marjorie sind  38 und 37 Jahre alt, dazu kommt ihr Sohn Mathias, mein Gastbruder, der sechs Jahre alt ist. In San Miguel, einem Dorf zwanzig Fahrminuten von San José entfernt, leben wir zusammen in einem schlichten aber liebevollen Haus mit drei Zimmern. Ich habe mein eigenes Zimmer inklusive Schreibtisch und TV, es bietet mir gute Arbeits- und Rückzugsmöglichkeiten. Meine Gasteltern arbeiten beide von Zuhause aus. Marjorie ist Psychologin und therapiert ihre Kunden ganz familiär in der Küche. Mein Gastvater wiederum hat sich selbstständig gemacht und trainiert Spür- und Rettungshunde. 
Das Quartier in dem wir leben ist voll von Familienmitgliedern des Gastvaters. Ich habe den Stammbaum bis heute noch nicht vollständig entziffern können, aber auf jeden Fall steht man sich sehr nahe. Oft kommen Verwandte ohne Vorwarnung durch die Tür. Man trifft sich zum Kaffee, geht gemeinsam an Strassenfeste , oder fährt an den Strand wenn man gerade Geld hat. 
Ich habe meine Gastfamilie samt Verwandtschaft als eine sehr herzliche, offene und tolerante Familie kennengelernt. Ich wurde super in die Familie aufgenommen und habe mich so schnell eingelebt. Die fehlenden Spanischkenntnisse stellten kein grosses Hindernis dar. Dennoch war ich froh mit einigen Grundlagen aus Spanien angereist zu sein, da meine Gasteltern kein Englisch können. Sie bieten mir hier einen rundum Service. Es wird mir die Wäsche gewaschen, sie kochen für mich und zweimal in der Woche kommt eine Cousine von Oldemar und reinigt das ganze Haus. Ich darf noch bisschen Kind sein und daran gewöhnt man sich schnell.    

Meine Gastfamilie und eine eine Freundin der Familie (links).
Mein Gastvater bei seiner nicht ganz ungefährlichen Arbeit.


Freizeit:

Da ich meinen Arbeitstag normalerweise schon um zwei Uhr Nachmittags beende, bleibt mir der ganze Nachmittag um meine Freizeit zu gestalten. Mit dem Bus bin ich von San Miguel aus gut vernetzt. Desamparados, das nächst grössere Städtchen ist nur zehn Fahrminuten entfernt. Die Infrastruktur stellt für mich also kein Problem dar, nur einen Fahrplan sucht man hier vergebens. Schnell habe ich gemerkt wie vorteilhaft es ist, sich in Vereinen zu engagieren. Es hilft bei der Integration und bietet eine gute Möglichkeit, um sich mit Ticos und Ticas zu befreunden. An den Wochenenden unternehme ich ausserdem viel mit Freunden und Familie und konnte so auch schon einiges vom Land sehen. 

Sport ist für mich ein idealer Ausgleich zum Alltag. Schon nach zwei Wochen habe ich, durch einen Freund der Familie, begonnen Krav Maga (Selbstverteidigung) zu trainieren. Es ist zwar nicht zu vergleichen mit Kick-Boxen, was ich in der Schweiz praktizierte, aber das Training hält mich fit. Krav Maga lehrt, wie man reagieren kann im Falle einer Extremsituation.
Mit meinem Gastvater, der wie die meisten Ticos den Fussball verehrt, gehe ich zudem einmal wöchentlich Futbol 5 spielen. Futbol 5 unterscheidet sich vom normalen Fussball durch die Anzahl der Spieler (je fünf pro Team), sowie in der Grösse des Feldes, des Tores und des Balles, der kleiner als gewohnt ist. Diese Sportart hat in den letzten Jahren in Costa Rica extremen Zustrom erlebt, sie fordert vor allem die Technik und das Spielverständnis des Fussballers. 

Wenn man in Costa Rica ist, sollte man Tanzen können oder es lernen, darüber hat man uns schon im Vorbereitungslager informiert. Zweifelsohne ist Tanzen hier in der Kultur verwurzelt. Es wird sogar in der Schule unterrichtet. Also habe ich mich in einer Tanzschule angemeldet, dort lerne ich innerhalb drei Monaten verschiedene Lateinamerikanische Tanzstile (Merengue/Salsa/Cumbia/Bachata). Der Tanzkurs ist manchmal mal zwar sehr fordernd, macht aber grossen Spass und ist ein super Ort um Leute kennenzulernen. 

Es ist wohl allgemein bekannt, dass sich in Costa Rica eine atemberaubende Vielfalt der Natur entwickelt hat. Aufgrund der zahlreichen Klimazonen findet man auf kleinstem Raum diverse Biotope. Marjorie und Oldemar kennen ihr Land und auch den ein oder anderen paradiesischen Fleck fernab vom Tourismus. Zusammen haben wir schon einiges unternommen. Ich geniesse und schätze jeden dieser Ausflüge und hoffe das noch viele folgen werden.

Ich und mein Gastvater, beim spontanen baden in einem Fluss.
Abendlicher Ausblick auf San José, zusammen mit Familie und Freunden.

Einer riesigen Krater des Vulkans Irazu.

Bezauberndes Plätzchen. Verlassener Strand irgendwo an der Pazifikküste.


Kapuzineräffchen im San Antonio Nationalpark.